Führung „Denkmal- und Stadtbildpflege am Beispiel von Fischergasse und Ziegelgasse“

11.10.2014 von Sabina Dannoura und Hans Sahlmüller

Die Freisinger Altstadt ist ein einzigartiges Juwel. Der historische Stadtkern ist als Ensemble geschützt; viele einzelne Häuser, die seit dem späten Mittelalter entstanden sind, stehen unter Denkmalschutz. Unter diesen Voraussetzungen, so könnte man annehmen, dürften unsachgemäße, unsensible Eingriffe in das charakteristische Stadtbild ausgeschlossen sein. Zumal es zahlreiche, gelungene Beispiele dafür gibt, dass eine zeitgemäße Nutzung mit dem Erhalt prägender Fassaden und Dachlandschaften vereinbar sind. Immer wieder bedrohen aber unsachgemäße Sanierungen, Um- und Neubauten das wertvolle Altstadtensemble.

Die AG Stadtbildpflege und Baukultur hat sich diesem Thema bei einer Doppelführung durch Fischer- und Ziegelgasse angenommen. Erstere hat in den vergangenen Jahrzehnten viel von ihrem Flair durch so manche „Bausünde“ verloren. Dagegen sind ortstypische Charakteristika in der Ziegelgasse noch vorhanden, wobei auch diese Gasse durch jüngste Umbaugenehmigungen – trotz Widerstands des Landesdenkmalamts – Gefährdungen ausgesetzt ist. Licht und Schatten: Beides wurde bei dieser Führung beleuchtet. Die Teilnehmer konnten am Ende selbst beurteilen, wie wichtig verbindliche Gestaltungsrichtlinien für den historischen Stadtkern wären. 

Wie funktioniert das eigentlich, ein historisches Haus zu sanieren? Unser Mitglied, Architekt Hans Sahlmüller, berichtet hier über seine Erfahrungen bei der Instandsetzung des in der Barockzeit entstandenen Hauses Fischergasse 29 – und fast spektakulären Erkenntnissen. Das Gebäude (Grundfläche 84 Quadratmeter) war 1988 in einem beklagenswerten Zustand, aber nicht baufällig. Das Erdgeschoß stand leer, war zum Teil nicht verputzt, etwas feucht und lag ca. 25 cm unter Straßenniveau. Die Raumhöhen betrugen zwischen 1,90 und 2,20m. Das Dachgeschoß war nicht ausgebaut und kein Bad vorhanden. Die Planung erfolgte in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege. Um das Haus bewohnbar zu machen, wurden das Erdgeschoss tiefer gelegt (ca. 65 cm unter Straßenniveau), Obergeschoßdecke und Dachstuhl ca. 20 cm angehoben. Die Haustür befindet sich nun in der ruhigeren Luckengasse und es gibt auch eine Garage. Das Gebäude ruht jetzt auf einer Bodenplatte aus Beton, die alten Pfähle waren nicht mehr tragfähig. Die ursprünglichen Fensterformate wurden beibehalten und die Holzfenster mit Ochsengalle gestrichen. Der Putz wurde von Hand aufgebracht, um die alte Struktur zu erhalten. Als Änderungen gab es den Einbau von schmalen Gauben im Dach zur Luckengasse, das hölzerne, zweiflügelige Garagentor und den Einbau von maßvollen Schaufenstern. Während der Planungszeit stellten sich uns Fragen: Wie wurden die winzigen, verwinkelten und niedrigen Räume im Erdgeschoß vormals genutzt, warum war der Schiaß (Giebel) im Dachgeschoss zur Fischergasse hastig mit neuzeitlichen Hochlochziegeln aufgemauert, während gleichzeitig zwei Fenster aus der Ursprungszeit des Hauses eingebaut waren? Die Lösung ergab sich aus einem Foto von 1935 des Fotografen Koislmaier: Zwei Frauen ziehen einen Leiterwagen mit Waschkörben. In dem Haus befand sich also eine Wäscherei. Die kleinen Räume waren gemauerte Öfen mit Waschkesseln, die nicht verputzten Räume waren Holzlegen und Lager. Im Giebel sieht man zwei Öffnungen mit Rund- und Spitzbogen ohne Fenster, da befand sich der Trockenboden. Es wurde für die Herren auf dem Domberg gewaschen, das Wasser holte man aus der Moosach. Weiterhin bemerkenswert: Die Wand an den Bogenfenstern ist dicker als die jetzigen mageren 25 cm – und das Haus steht weiter in die Fischergasse als heute, der Giebel ragte vor das linke Nachbarhaus. Der Giebel wurde also – nach 1935 – abgerissen und etwa einen Meter weiter hinten mit den alten Steinen bündig zum Nachbarhaus aufgebaut, die alten Fenster setzte man wieder ein. Im Giebel waren dann die alten Backsteine ausgegangen, man verwendete neue Hochlochziegel. Auf der Ostseite entfiel bei der Maßnahme eine Fensterachse, die beiden übrigen Fenster setzte man oben in den Giebel zur Fischergasse. Man arbeitete mit sparsamsten Mitteln. Warum dieser Rückbau erfolgte, wissen wir nicht. Das Zurücksetzen der Wand konnten wir nicht mehr rückgängig machen. Aber die beiden altertümlich anmutenden Fenster im Giebel haben wir wieder eingebaut, so blieb der historische Charakter des Hauses erhalten.

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