Die Sporrerkeller in Freising. Teil 1

16.04.2018 von Hermann Bienen

Abb. oben: Das Chorherrenstift St. Veit (links) und das Kloster Weihenstephan (rechts) im Kupferstich von Jean-Claude Sarron, 1724 (Ausschnitt)

Der Veitsberg

Bis zur Säkularisation 1802/03 standen an der Stelle des Lindenkellers das Chorherrnstift St. Veit mit seiner großen Stiftskirche, die Mariahilfkapelle und ein Friedhof, auf welchem die Verstorbenen aus dem westlichen Teil der Stadt begraben wurden (vgl. Abb. 1). In den Jahren von 1808 bis 1810 wurden die Gebäudekomplexe abgerissen und Johann Riedl, der ehemalige Kustos von St. Veit, kaufte vom Staat den gesamten Veitsberg. Nach und nach erwarben die Freisinger Bierbrauer dort Häuser und Grundstücke, um im Veitsberg ihre „Märzenbierkeller“ in nächster Nähe zur Stadt und zu ihren Brauereien, zu errichten (vgl. Abb. 2). Zuvor war dies dort nicht möglich gewesen, denn ein Bierkeller unter einem Friedhof war undenkbar.

Abb. 2: Die Kelleranlage im Veitsberg © Hermann Bienen

Abb. 3: Blick in einen Keller des Veitsbergs © Max Kirchmaier, Freising

Der Bau der „Märzenbierkeller“ (vgl. Abb. 2 und 3)

Keller 1: Seit spätestens 1806 war der Furtnerbräu Mathias Mayr im Besitz des Kornkastens von St. Veit und ließ dort einen Bierkeller in den Berg graben, den man dann, nach der Errichtung des Furtnerkellers an der Wippenhauser Straße 1837, bis etwa zum 2. Weltkrieg noch als Eisspeicher für das im Winter gewonnene Natureis benutzte.

Keller 2: 1811 erwarb der Heiglbräu Georg Mühlbauer das ehemalige Pfarrhaus von St. Veit und grub im dazugehörenden Garten einen Märzenbierkeller in den Berg. 1842 wurde zwar das Haus von seinem Nachfolger Franz Sporrer verkauft, das danebenliegende Fasshaus mit dem dahinterliegenden Bierkeller blieb jedoch weiter in seinem Besitz.

Keller 3: Um 1809 errichtete der Stieglbräu Joseph Bayerl diesen Keller, den der spätere Besitzer Leonhard Steinecker 1853 an den Schweinhammerbräu Anton Moser weiter verkaufte. Vor 1860 ging der Keller an den Daurerbräu Johann Stanglmaier, dessen Besitznachfolger diesen um 1863 weiter an den Heiglbräu Eduard Sporrer verkaufte.

Keller 4: Vor 1820 erbaute der Laubenbräu Josef Ostermeier diesen Märzenkeller und verkaufte ihn 1825 an den Weindlbräu Johann Sauer. 1834 ging dieser an den Furtnerbräu Joseph Braun, der 1837 seinen „Furtnerkeller“ an der Wippenhauser Straße errichtete und daher den Keller unter dem Veitsberg an den Zehetmayrbräu Josef Spätberger weiter veräußerte. 1852 wurde ein Protest des Zehetmayrbräus Johann Kraus gegen Joseph Sporrer wegen Neubau seines über den Märzenkellern liegenden Sommerkellerhauses vom Stadtrat abgewiesen. Als der Zehetmayrbräu Johann Stanglmaier 1860 seine beiden Keller 3 und 4 erweitern wollte, scheiterte dies an dem Einspruch von Heiglbräu Eduard Sporrer, da dieser Auswirkungen auf seinen Sommerkellerhaus befürchtete. So verkaufte der nächste Besitzer des Zehetmayrbräu Michael Loibl 1863 seine Keller an Eduard Sporrer, nachdem er zuvor den Ziegelbräukeller an der Wippenhauserstraße erworben hatte. Somit waren drei der Keller im Besitz des Heiglbräus Eduard Sporrer.

 

Vom Sporrerkeller zum Lindenkeller

Franz Sporrer hatte bereits 1825 auf dem Veitsberge einen Sommerausschank errichtet, den er 1852 nochmals erweiterte. Außerdem hatte er zwischenzeitlich den größten Teil des Veitsberges erworben. Als Eduard Sporrer seinen Heiglbräu 1873 verkaufte, behielt er jedoch den Veitsberg mit den Märzenkellern und der darüber liegende Sommerschenke für sich. Am 23. September 1874 kaufte das Staatsgut Weihenstephan das gesamte Areal von Eduard Sporrer, nunmehr „Lindenkeller“ genannt, in Erinnerung an die vor zuvor abgebrannte Linde, die vom hl. Korbinian gepflanzt worden sein soll. Am Wertvollsten galten die dort vorhandenen vorzüglichen Lagerkeller, welche der Staatsbrauerei gestatten sollten, viel mehr Sommerbier als bisher einzubrauen. Das Geschäft entwickelte sich damals jedoch nicht so gut, wie man sich erhofft hatte. Außerdem baute man neue Keller direkt an der Brauerei in Weihenstephan, sodass die „Sporrerkeller“ nie ausgenützt wurden, und der ganze Lindenkeller blieb bis zum Verkauf an die Stadt Freising ein Sorgenkind der Staatsbrauerei. 1901 erbaute man die große Bierhalle und 1904 das heutige Lindenkellergebäude (vgl. Abb. 4).

Abb. 4: Biergarten „Lindenkeller“, um 1910 © Stadtarchiv Freising

Luftschutzkeller im Zweiten Weltkrieg

Während des Zweiten Weltkrieges erlebten die Keller eine Phase verstärkter Nutzung. Jedoch nicht zur Einlagerung von Bier, sondern sie wurden zu Luftschutzbunker für die Freisinger Bevölkerung ausgebaut. Neben einem „Kommandobunker“ für die Stadtkommandantur in Keller 1 (Eingang vom Johannisplatz) kamen in den nächsten Keller (2) große Notstromaggregate für den Luftschutzbunker und Weihenstephan, von denen heute noch die Betonsockel zeugen (vgl. Abb. 5). Die Keller 3 und 4 wurde für die Bevölkerung hergerichtet. Auf der Südseite wurde ein zusätzlicher Verbindungsgang zwischen diesen beiden Kellern errichtet sowie ein Notausgang von Keller 3 an die Moosach. Zur Ausstattung gehörten Toiletten, Bänke sowie einige Feldbetten. Bis zu 750 Personen sollten bei Bedarf in diesen Räumen Schutz finden.

Abb. 5: Nutzung des Kellers als Luftschutzbunker mit Betonsockel für die Notstromaggregate © Hermann Bienen

 

Die Sporrerkeller heute (2016)

Danach wurden die Keller gar nicht mehr, oder nur teilweise als Lagerräume genutzt. Keller 1 war nach dem Besitz des Furtnerbräus bis Mitte der 1960er Jahre im Besitz der Seifenfabrik Illinger, der Likörfabrik Ploch und anschließend der Gärtnerei Mühl. Die Keller 2 bis 4 gehörten Weihenstephan. 1990 ging das gesamte ehemalige Veitsbergareal mit dem Lindenkeller und den darunter liegenden Sporrerkellern in den Besitz der Stadt Freising über, die neben der Gaststätte ein überregionales Jugend- und Kulturzentrum in der alten Bierhalle schuf. 2016 werden im Rahmen des Jubiläumsjahres „500 Jahre Reinheitsgebot“ die Sporrerkeller von der Bier-Stadt Freising wieder für Besichtigungen begehbar gemacht und für kleinere kulturelle Veranstaltungen hergerichtet. Eine neue Elektrik und Beleuchtung, Treppen und Absicherungen, Brandschutzmaßnahmen sowie Panikschlösser an allen Türen runden die derzeitigen Maßnahmen ab.

Dieser Beitrag erschien ebenso im Stadtmagazin FINK, Ausgabe September 2016, siehe Veröffentlichungen.

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