Freisinger Unterwelt. Die Bierkeller der einstigen Freisinger Brauereien

27.03.2018 von Hermann Bienen

Blick in ein Kellergewölbe des ehemaligen Schweinhammerkellers, 2013 (Foto: Hermann Bienen)

Auf dem Domberg wurde nachweislich mindestens seit dem Jahre 1160 Bier gebraut. Auch das Kloster Weihenstephan hatte bereits um 1040 von seinem Gründer Bischof Egilbert das  Recht verliehen bekommen, Bier in Freising zu brauen sowie dort auch Wein auszuschenken, bevor dieses später auf die neu erworbene Hofmark Vötting verlegt wurde. Das bedeutet aber nicht, dass zuvor kein Bier in Freising getrunken bzw. gebraut wurde. Im Gegenteil, viele heute noch vorhandene Urkunden aus dem 8. und 9. Jhdt. belegen Hopfen-, Malz- und Bierlieferungen (sowohl Wagen- wie auch. Eimerweise). Um 1355 gab es bereits eine Vereinigung der Bräugesellen der Stadt, die im Stadtrat von zwei Bürgern vertreten wurden, was auf das Vorhandensein von bürgerlichen Brauereien schon vor dieser Zeit hinweist.

Vor ca. 200 Jahren  gab es dann in Freising noch 18 Brauerein, die jedoch nach und nach, bis auf das Hofbräuhaus Freising und die Staatsbrauerei Weihenstephan, ihren Betrieb einstellten. Diese ehemals bürgerlichen Brauereien gibt es zwar heute nicht mehr, aber sie haben uns noch stumme Zeugen aus den letzten 400 Jahren Freisinger Bierkultur hinterlassen. Das sind ihre Bierkeller, die z.T. noch tief unter der Erde unter den Häusern der ehemaligen Brauereien bzw. ihrer Kellerhäuser in Freising schlummern.

Zur Kühlung des Bieres in Bierkellern

Es gab (und gibt) Bierkeller unterschiedlichster Größe, direkt gelegen unter den Brauereien oder bei den nahe liegenden Kellerhäusern sowie die Märzenkeller am Rande der Stadt. Zur Herstellung eines guten Bieres waren diese Keller sehr wichtig, konnte das Bier doch darin auch über die Sommermonate hinweg ausreichend kühl gelagert werden. Das letzte, etwas stärkere und mit mehr Hopfen eingebraute Märzen- oder Sommerbier durfte nur bis Georgi (23. April) eingebraut werden und es musste dann bis weit in den Oktober hinein seine Trinkqualität behalten, bevor dann erst ab Michaeli (29. September) wieder neues Bier gebraut werden konnte. Dies besagte eine uralte landesherrliche Ordnung für ganz Bayern, die bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts gültig war. Für das bis 1802/03 bestehende Fürstentum (Hochstift) Freising, zu dessen Territorium ja auch die Stadt Freising gehörte, galt eine ähnliche Regelung. Noch am 04. Sept. 1862 bat der Laubenbräuer Joseph Duschl den Magistrat der Stadt Freising, dass er ausnahmsweise mit dem Einsieden des Winterbieres vor der gesetzlichen Zeit  anfangen dürfe,  da ihm sonst das Bier ausgehe. Die einzige Möglichkeit das Bier aus-reichend kühl zu halten, bevor Carl von Linde 1871 seine Kältemaschine zum Patent anmeldete, war damals die Kühlung der Keller und der Fässer mit Natureis. Dieses wurde im Winter aus Flüssen, Seen oder eigens angelegten Teichen in mühsamer Arbeit gewonnen und das zerhackte Eis dann in die Keller mit den darin liegenden Bierfässer geschüttet – so auch in Freising.

Wo lagen (und liegen) diese Keller?

Für die Freisinger Brauereien können wir feststellen, dass diejenigen, die nördlich der Hauptstraße lagen, ihre Bierkeller unter den Brauereien bzw. direkt dahinter liegen hatten. Dort wurden die Gewölbekeller dann ausreichend tief in das nach Norden ansteigende Gelände gegraben. Das war so beim Stieglbräu, beim Furtnerbräu, beim Zehetmairbräu, beim Laubenbräu, beim Heiglbräu und dem Weindlbräu. Auch das Franziskanerkloster hatte seine Brauereikeller gleich neben der Brauerei auf der gegenüberliegenden Seite am oberen Ende der Weizengasse.

Kellerneubau des Kochbräus: Grundriss und Querschnitt, 1862 (Stadtarchiv Freising, Historische Bauakten).

Die Brauereien südlich der Hauptstraße, die nur wenig über dem Grundwasser – bzw. Moosachspiegel lagen, mussten sich einen anderen Ort für gute Keller, wenn möglich in ihrer Nähe suchen. Dies gelang zum Beispiel mit der Erwerbung eines Grundstück oberhalb der nördlichen Hauptstraßenseite, wie es beim Jungbräu, beim Paulimayrbräu oder auch beim Hummlbräu der Fall war.

Die Brauereien am unteren Ende der Stadt, der Gößweinbräu, der Schweinhammer-bräu, der Hasiberbräu, der Hacklbräu oder auch der Hagnbräu hatten ihre Keller alle auf dem unteren Büchl, wo auch heute noch die ältesten in Freising erhaltenen Keller zu finden sind.

Die großen,  80 Fass fassenden Keller der einstigen Klosterbrauerei in Neustift lagen ihr gegenüber an der Alten Poststraße, gleich hinter dem heutigen Gasthaus B-Trieb, eingebaut in den ansteigenden Hang.

Bis zu zehn Bierkeller besaßen sowohl das Hofbräuhaus auf dem Domberg (8 davon an der Nordseite) sowie auch die Klosterbrauerei Weihenstephan, die teilweise unter dem ehemaligen Klostertrakt lagen, sich vor allem aber an der Nordseite an die ehemalige Klosterkirche und das heutige Sudhaus anschlossen.

Die erste Brauerei, die in Freising außerhalb der Stadt errichtet worden war,  war die Hofwebersche Brauerei (später Aktienbrauerei) von 1874 an der Mainburgerstraße mit ihren neun Lagerkellern.

Kellerhaus des Schweinhammerkellers (heute „Radl Ruhland“)  in der Vöttinger Straße mit Pferdegespann und Brauereimitarbeiter, 1897 (Stadtarchiv Freising)

 

Der Beginn der bayerischen Biergartenkultur

Durch den ansteigenden Bierbedarf, den man nicht mehr über die Produktion bzw. Lagerung in den alten, innerhalb der Stadt gelegenen Brauerei- und Kelleranlagen decken konnten, ferner durch den Einsatz neuer Brautechnologien kam es nach und nach zum Bau und der Entwicklung der Sommerbierkeller etwas außerhalb der Stadt. Auf diesen konnte man zudem unter schattigen Bäumen bei einem kühlen Trunk und später auch einer Brotzeit im Sommer die Natur genießen. Hinzu kam, die königliche Verfügung vom 28.08. 1825, die besagte,  „dass es den hiesigen Bierbrauern gestattet sein soll, auf ihren eigenen Märzenkellern in den Monaten Juni, Juli, August und September selbstgebrautes Märzenbier in Minuto zu verschleißen und ihre Gäste dort mit Bier und Brot bedienen“. Dies war der Beginn der bayerischen Biergartenkultur. Die Sommerkeller  wurden bald Orte der Erholung, der Begegnung und des  gesellschaftlichen Lebens. Sie befanden sich in Freising bsplw. auf dem Veitsberg (Sporrerkeller, heute Lindenkeller).

Grundriss der einzelnen Kellergewölbe im Veitsberg unter dem Lindenkeller (Stadtarachiv Freising, Häuserkartei)

An der Vöttinger Straße entlang des Weihenstephaner Berges waren es der Hacklbräukeller und der Schweinhammerkeller, an der Wippen-hauserstraße der Furtnerkeller und der Daurerkeller. Oberhalb von diesem lag an der Haydstraße  die Daurerschenke mit darunterliegendem Sommer- und Eiskeller. Weiter gab es den Gößweinkeller und den Laubenbräukeller (Peterkeller) an der Mainburgerstraße sowie den späteren Hofbräuhauskeller oberhalb des heutigen Hofbräuhauses an der Lankesbergstraße. In Neustift lagen der Obere Urbankeller und der Rudolphkeller entlang der alten Poststraße. An der Altenhauser Straße war der Untere Urbankeller zu finden. Einen weiteren Keller gab es an der Landshuter Straße kurz vor der Auffahrt nach Tuching. Hier lag der um 1882 erbaute Seiderer- und Eichnerkeller, auf dem an Sonn- und Feiertagen unter den schattigen Bäumen von dem gegenüber an der Landshuter Straße liegenden Gastwirt Joseph Zolls „zum Holledauer Hof“,  Bier frisch aus den Holzfässern des Sommerbierkellers ausgeschenkt wurde.

Eine letzte Nutzung erlebten dieser Keller dann noch als Luftschutzkeller im letzten Krieg bevor sie danach fast ausnahmslos in Vergessenheit gerieten. Heute dienen diese durchaus erhaltungswürdigen Keller-anlagen zum Teil noch als Lagerräume. Die meisten jedoch zerfallen langsam oder werden verfüllt, um neuen darüber liegenden Gebäuden die notwendige Grundfeste zu geben oder sie dämmern dahin - in Erinnerung an ihre einstmals glanzvolle Zeit, als in ihren Gewölben noch das kostbare Bier für die Freisinger Bürger heranreifte.

 

Dieser Beitrag erschien ebenso im Stadtmagazin FINK, Ausgabe Dezember 2013, siehe Veröffentlichungen.

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